Mehrfachbeauftragung
"Quartier am Wiener Platz", Stuttgart-Feuerbach
3. PREIS


Bauherrschaft
Neues Heim - Die Baugenossenschaft eG

Visualisierung
renderbar

Projektbeschreibung
Im Stuttgarter Stadtbezirk Feuerbach entsteht ein urbanes gemischtes Quartier mit Modellcharakter. Neben der Ausweisung von Grundstücken für Baugemeinschaften soll das neue Stadtquartier einen hohen Anteil an Wohnbauförderung übernehmen und Angebote sozialer Inklusion sowie gewerblicher Nutzungen integrieren. Im Rahmen einer Mehrfachbeauftragung wurden durch die acht teilnehmenden Büros tragfähige und nachhaltige Konzepte für das neue Stadtquartier (Lose 1 + 2) entwickelt.

ENTWURFSGEDANKE
Im Vordergrund der Überlegungen steht die Einbindung und Vernetzung des Quartiers mit der Umgebung. Die Menschen und ihre Bedürfnisse, die daraus resultierenden Nutzungen und sich ergebenden Symbiosen liegen dem Entwurfskonzept zugrunde. Ein Miteinander von Jung und Alt, Menschen mit und ohne Behinderung, Familien und Alleinstehenden ist hier möglich.

Das Quartier folgt dem Prinzip der leicht reduzierten privaten Wohnfläche im Tausch für außergewöhnlich viele und vielfältig nutzbare Gemeinschaftsflächen. Dies führt zu einer größeren Identität mit dem Wohnquartier und damit zu einer höheren Zufriedenheit der Bewohner. Aufgrund der Anordnung der Gemeinschaftsflächen, dem zentral im Hof gelegenen Zugang zur Tiefgarage mit den Mülleinwurfsäulen, den großzügigen Treppenhäusern mit angrenzenden kleineren Gemeinschaftsbereichen sowie den vielen Blickbeziehungen in den Hof wird im Alltag ein “Man sieht sich”- Erlebnis geschaffen. So wird Gemeinschaft im Alltäglichen erlebt. Einsamkeit und Anonymität haben hier keine Chance. Integration wird im Quartier im Alltag gelebt und erlebt. So bietet beispielsweise das inklusive Café einen Treffpunkt für Menschen mit und ohne Behinderung, für Alte und Junge, für Familien und Alleinstehende.

STÄDTEBAU UND FREIANLAGEN
Städtebaulich legt der Entwurf Wert auf eine einladende, leitende Formensprache der Gebäude, die Ein- und Durchblicke erlaubt, besonders an den wichtigen Ecken Dornbirner und Wiener Platz. Die verschiedenen Abschnitte der Lose 1 und 2 sind gestalterisch deutlich voneinander abgesetzt. Dadurch wird zum einen auf die kleinere Körnung der angrenzenden Bebauung eingegangen, zum anderen schafft dies bei den Bewohnern eine höhere Identität. Die Gebäude öffnen sich zur Quartiersmitte hin deutlich und schaffen einen gemeinschaftlichen Innenhof mit hohem Aufenthaltswert.

Das “grüne Band”, welches im Entwurf der Baugemeinschaft “Zwo+” (Los 4) bereits in Fassade und Dachgarten seinen Anfangspunkt bildet, zieht sich durch den gestalteten Innenhof bis zur Fassade des mittleren Baukörpers von Los 1; von dort “klettert” es buchstäblich die Fassade hinauf, um auf den Dächern von Los 1 einen weiteren gemeinschaftlichen Freibereich zu bilden. Das Ende des grünen Bandes ist dann die begrünte Fassade zur Pöchlarner Straße.

FREIZEIT UND SPORT
Der Spielplatz im Hof liegt in räumlicher Nähe der Boulebahn, sodass auch hier ein gemeinsamer Bereich fur Jung und Alt entsteht. Das Quartier bietet verschiedene Freizeit- und Sportmöglichkeiten, die zum großen Teil sowohl von Menschen mit als auch ohne Behinderung genutzt werden können. Die Boulebahn und die Rampe-/ Skateboardanlage auf dem Dach, die unterschiedliche Neigungen und Schwierigkeitsgrade beinhaltet, kann gemeinsam genutzt werden. Der Basketballkorb auf dem Dach des 4. OG von Los 1.3 (Süden) kann hoch- und heruntergefahren werden. Der Platz ist mit einem Drahtnetz auf allen 5 Seiten abgesichert damit keine Bälle vom Dach fallen können. Die Dächer von Los 1 sind für alle Quartiersbewohner über die Treppenhäuser von Los 1.1 und 1.3 erreichbar. Für Besucher wird der Zugang zum Dach über einen Sportanbieter (Los 1.2 EG) ermöglicht. Der Zugang zum Dach und Kurse für die Kletterwand ('Bouldern') wird ebenfalls über den Sportanbieter gebucht.

WIRTSCHAFTLICHKEIT
Es können bei diesem Projekt kurze Bauzeiten und eine hohe Qualität gewährleistet werden. Neben den kurzen Bauzeiten kann durch die gewählte Bauweise als Holz-Beton-Hybridbau die Konstruktionsfläche reduziert und somit mehr Nutzfläche generiert werden. Eine Massivwand mit vorgesetzter Wärmedämmung würde bei gleichen Oberfläche und Dämmeigenschaften ca.15% mehr Konstruktionsfläche aufweisen.

Die kompakt geplanten und zusammengefassten Nassräume sind standardisiert und können als ganze Zellen bereits während der Rohbauphase aufgestellt werden. Die Außenwandoberflächen bestehen hauptsächlich aus vorgehängten hinterlüfteten Fassaden aus Holz oder Plattenwerkstoffen. Neben den ökologischen Vorteilen bei der Herstellung sind diese Fassaden nahezu wartungsfrei und reduzieren so die Unterhaltskosten des Gebäudes. Als innere Wandoberfläche dient eine Gipsfaserplatte, die auch bei Mieter- und Tapetenwechsel dauerhaft Stand hält.

ÖKOLOGIE, RESSOURCEN UND ENERGIE
Die tragenden Bauteile werden aus Recyclingbeton hergestellt. Die nichttragenden Holzrahmenbau-Außenwände sind mit Zellulosefasern, die durch ein Recyclingverfahren aus Tageszeitungspapier hergestellt werden, gedämmt. Das Grundmaterial der Dämmung und der Außenwandkonstruktion besteht also aus Holz. Natürliche Baustoffe schaffen ein angenehmes Raumklima, welches gerade für sensible Bewohnergruppen von Vorteil ist. Für die Produktion der verwendeten Baustoffe der Außenwand werden der Atmosphäre mehr Treibhausgase entzogen als zugeführt.

Das Niederschlagswasser wird auf dem Grundstück bewirtschaftet. Retentionsspeicher unter den extensiv und teilweise intensiv begrünten Dachflächen halten einen Großteil des Niederschlagswassers von der Kanalisation fern und sorgen für eine hervorragende Vegetation auf den Dächern. Das überschüssige Wasser wird in zentrale Regenwasserspeicher (Zisternen) geleitet und zur Bewässerung der Außenanlagen und für den Kinderspielbereich verwendet.

Der Großteil der Dächer ist zudem mit Photovoltaik versehen; eine Ausnahme bildet hier die gemeinschaftlich genutzte Dachlandschaft von Los 1. Hier befindet sich ein Sport- und Freizeitangebot mit Basketball sowie ein Rampenweg, der sowohl von Skateboardfahrern als auch von Rollstuhlfahrern, Rollerfahrern und Fußgängern benutzt wird. Die Fassadenbegrünung hat neben gestalterischen Aspekten auch die Funktion der Feinstaubbindung, welche in Großstädten und insbesondere in Stuttgart einen hohen Stellenwert hat.

EFFIZIENZHAUS 40
Der errechnete U-Wert der geplanten Außenwände von 0,14W/(m²K) unterschreitet die Richtwerte für das Effizienzhaus 40. Zusammen mit dem vorgesehenen Nahwärmenetz ist somit ein Effizienzhaus 40 umsetzbar. Um den Energieverbrauch der Gebäude weiter zu reduzieren, schlagen wir vor, die Nutzungseinheiten zusätzlich mit Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung auszurüsten. Eine Lüftungsverteilung erfolgt im Bereich der Flure. Neben den hervorragenden Dämmeigenschaften bieten diese Außenwände durch die Zellulosedämmung auch einen sehr guten Schall-und Hitzeschutz. Durch die Phasenverschiebung von 15,3h stellt sich auch im Sommer eine konstante Oberflächentemperatur von ca. 25°C auf der Innenseite der Außenwand ein.
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